Schwere Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten - Ausschlusskriterium

Grad der Behinderung -GdB- bei Depression mit niedrigfrequenter Therapie


Landessozialgericht Baden-Württemberg 8. Senat
13.11.2020
L 8 SB 2/19
Juris



Leitsatz

1. Zur Herabstufung eines GdB von 80 auf 40 nach Ablauf der Heilungsbewährung bei einer Melanomerkrankung ohne Hinweis auf ein Rezidiv.

2. Bei einer depressiven Erkrankung spricht die Tatsache, dass bei schwankendem Verlauf weiterhin eine niedrigfrequente Therapie mit supportiven Gesprächen max einmal im Monat durchgeführt wird und die antidepressive Medikation unverändert bleibt, außerdem durchgehend eine Nebentätigkeit ausgeübt wird und konkrete Urlaubsplanungen bestehen, gegen schwere Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Ein GdB von 30 ist insoweit angemessen und sachgerecht.

3. Bei Einzel-GdB-Werten von 30 für den Bereich Psyche und 30 für den Bereich Augen kann ein Gesamt-GdB von 50 dann gebildet werden, wenn zwischen den beiden Funktionssystemen keinerlei Überschneidungen bestehen, etwa wenn die depressive Erkrankung auf die durchlittene Krebserkrankung zurückzuführen ist.

4. Es gibt keinen Grundsatz, wonach ein weiterer Teil-GdB von 30 regelmäßig nur zu einer Erhöhung um 10 Punkte führt und nur ausnahmsweise zu einer solchen um 20 Punkte.


Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 29.11.2018 aufgehoben und der Bescheid vom 08.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2016 abgeändert soweit der Grad der Behinderung mit weniger als 50 seit 14.09.2016 festgestellt wurde.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind für beide Instanzen zu 1/2 zu erstatten.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) von 70 auf 40.

Bei dem Kläger hatte das Landratsamt S. (LRA) den GdB mit Bescheid vom 15.11.2012 mit 60 seit dem 08.10.2012 festgestellt. Der Bewertung lagen folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:

Hauterkrankung (in Heilungsbewährung) GdB 50 Erblindung am linken Auge GdB 30 Refluxkrankheit der Speiseröhre GdB 10

(versorgungsärztliche Stellungnahme Dr. G. vom 12.11.2012). Randnummer5 Am 09.01.2015 wurde eine Nachprüfung von Amts wegen zur Prüfung des Eintritts der Heilungsbewährung eingeleitet. Das LRA zog medizinische Unterlagen bei der Praxis für Allgemeinmedizin Dres. M. und bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. E. bei. Außerdem wurde der Reha-Entlassungsbericht der K. vom 02.02.2015 sowie ein Befundbericht bei der Psychiatrischen Institutsambulanz Z. beigezogen. Sodann wurde eine versorgungsärztliche Stellungnahme bei Dr. Z. eingeholt, der den Gesamt-GdB mit 40 bewertete unter Berücksichtigung folgender Teil-GdB-Werte:

Erblindung am linken Auge GdB 30 Seelische Störung GdB 30 Refluxkrankheit der Speiseröhre GdB 10

Hierzu führte Dr. Z. aus, die Heilungsbewährung für das maligne Melanom sei eingetreten, nach Aktenlage bestünden kein Rezidiv und keine Metastasierung, sodass die Behinderung entfalle. Zusätzlich anerkannt werden könne eine behandlungsbedürftige depressive Störung.

Nach erfolgter Anhörung gemäß § 24 SGB X am 03.02.2016 und einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme durch Dr. Z. am 20.04.2016 wurde der GdB mit Bescheid vom 08.06.2016 auf 40 ab dem 11.06.2016 festgesetzt. Wegen der eingetretenen wesentlichen Änderung der Verhältnisse sei der Bescheid vom 17.06.2015 nach § 48 SGB X aufzuheben und eine den neuen Verhältnissen entsprechende Feststellung zu treffen.

Hiergegen legte der Kläger am 04.07.2016 Widerspruch ein, den er damit begründete, hinsichtlich seiner gesundheitlichen Situation habe sich keine wesentliche Änderung eingestellt.

Unter dem 31.10.2016 nahm der Versorgungsarzt Dr. W. zu den Funktionsstörungen des Klägers Stellung und führte aus, laut dem Befundbericht vom 29.09.2011 sei ein Plattenepithelkarzinom an der Wange links operativ entfernt worden. Hier betrage gemäß der Versorgungsmedizinischen Grundsätze Nr. 17.13 die Heilungsbewährungszeit 5 Jahre und ende damit am 13.09.2016. Die Herabsetzung des GdB bereits ab dem 11.06.2016 sei also zu früh erfolgt. Im weiteren Verlauf sei eine seelische Störung mit einem Teil-GdB von 30 anerkannt worden. Laut Befundbericht vom 11.12.2015 finde eine Behandlung in der Psychiatrischen Institutsambulanz des Z. seit August 2013 statt. Damit könne dieser Teil-GdB bereits ab August 2013 festgestellt werden.

Es ergebe sich somit folgende Gesamtbewertung:

Hauterkrankung (in Heilungsbewährung) Teil-GdB 50 (bis 13.09.2016, danach Wegfall dieses Teil-GdB) Erblindung am linken Auge Teil-GdB 30 Seelische Störung Teil-GdB 30 (ab 08/2013) Refluxkrankheit der Speiseröhre Teil-GdB 10.

Der Gesamt-GdB betrage 70 ab 08/2013 und 40 ab 14.09.2016.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.11.2016 wurde dem Widerspruch insoweit stattgegeben, als dass der GdB für den Zeitraum vom 01.08.2013 bis zum 13.09.2016 mit 70 bewertet wurde. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Deswegen hat der Kläger am 30.11.2016 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zu deren Begründung trug er vor, es liege eine Vielzahl von schwerwiegenden Erkrankungen bei ihm vor, welche einen Grad der Behinderung von mindestens 70 begründen würden. Der Aufhebungsbescheid des Beklagten sei deswegen rechtswidrig und aufzuheben.

Das SG hat Beweis erhoben und die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Die Allgemeinmedizinerin D. berichtete von einer Behandlung seit 06.04.1994. Die von ihr erhobenen Befunde beträfen eine Depression (mittelgradig), eine Autoimmunhepatitis, eine Mitral-Trikuspidalinsuffizienz, ein WS-Syndrom, ein Nikotinabusus und ein Z.n. Melanom-OP. Der Gesundheitszustand des Klägers sei konstant mit einer Verschlechterung im letzten Jahr insbesondere die Depression betreffend. Der Augenarzt E. bestätigte mit seinem Befundbericht vom 08.06.2017 auf dem rechten Auge einen Visus von 1,0 und die Blindheit auf dem linken Auge. Der Facharzt für Chirurgie und Orthopädie Dr. G. berichtete von einer Behandlung seit dem 27.06.2016 wegen einer Bewegungseinschränkung im rechten Ellenbogengelenk. Es hätte sich eine gute Beugung und Streckung gezeigt, die Bewegungsausmaße hätten in der Extension/Flexion 0-0-150°, in der Pro-/Supination 70-0-90° betragen. Davor sei der Kläger im Februar 2012 wegen einem LWS-/BWS-Syndrom vorstellig geworden. Es habe sich eine muskuläre Inbalance im Wirbelsäulenbereich mit einer Hyperlordose der Lendenwirbelsäule und einer kyphotischen Fehlhaltung der Brustwirbelsäule gezeigt. Die diskrete Bewegungseinschränkung des rechten Ellenbogens bedinge einen GdB von 5. Der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. R. berichtete in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 04.07.2017 von einer regelmäßigen Behandlung des Klägers mit 1-2 Terminen pro Quartal. Es seien eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome und eine Somatisierungsstörung diagnostiziert worden. Daraus resultiere eine Niedergeschlagenheit mit Antriebsstörungen, eine verminderte Konzentration und Belastbarkeit, eine rasche Erschöpfbarkeit, eine Schmerzsymptomatik, die zu Bewegungseinschränkungen und verminderter körperlicher Belastbarkeit führe, eine verminderte emotionale Belastbarkeit und damit auch eingeschränkte sozio-emotionale Kompetenzen mit verminderter Interaktion. Der GdB betrage bezüglich der psychiatrischen Erkrankungen 60.

Unter dem 14.11.2017 hat Dr. B. für den Beklagten Stellung genommen und angeführt, der augenärztliche Bericht des Augenzentrums E. begründe weiterhin einen unauffälligen Befund des rechten Auges bei weitgehender Erblindung des linken Auges (Optikusatrophie), sodass der Teil-GdB von 30 zutreffend sei. Nach dem Befundbericht aus der psychiatrischen Institutsambulanz vom 11.12.2015 bestünden wiederkehrende, teils auch schwere depressive Episoden, sodass im Durchschnitt ein Teil-GdB von 30 angemessen sei. Dem aktuellen Bericht des Dr. R. vom 04.07.2017 seien keine Beeinträchtigungen zu entnehmen, die einen höheren Teil-GdB als 30 rechtfertigen würden. Der von Dr. R. vorgeschlagene Teil-GdB von 60 sei durch seine eigenen Befunde nicht begründet. Dieses Bewertungsergebnis orientiere sich nicht an den Vorgaben in den VMG. Bei Zustand nach kompletter Unterarmfraktur mit Plattenosteosynthese 1991 würden hin und wieder Beschwerden im rechten Ellenbogengelenk auftreten. Dr. G. habe einen Teil-GdB von 5 vorgeschlagen, womit er eine Behinderung im Sinne des SGB IX ausgeschlossen habe. Die übrigen Gesundheitsstörungen würden jeweils keinen eigenständigen Teil-GdB von wenigstens 10 rechtfertigen. Nach Ablauf der Heilungsbewährung ergebe sich in der Gesamtschau kein höherer GdB als 40.

Im Rahmen des Erörterungstermins am 07.03.2018 hat der Kläger vorgetragen, dass er eine Rente wegen Erwerbsminderung bezogen habe und ein Gutachten durch die Rentenversicherung erstellt worden sei. Das SG hat darauf hingewiesen, dass es sich um eine Aufhebung handele und Prüfgegenstand daher die letzte Verwaltungsentscheidung des Beklagten, der Widerspruchsbescheid vom 03.11.2016, sei.

Im weiteren Verlauf hat das SG die Akten der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg beigezogen. Das Gutachten der Ärztin D. vom 14.02.2018 wurde zu den Gerichtsakten genommen.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29.11.2018 abgewiesen und ausgeführt, ein höherer GdB als 40 liege nicht vor. Seit Erlass des Bescheids vom 15.11.2012 sei eine wesentliche Änderung eingetreten. Im Bescheid vom 15.11.2012 sei die Hauterkrankung mit einem Teil-GdB von 50 berücksichtigt worden. Ein Rezidiv sei nicht eingetreten, vielmehr habe der Kläger angegeben, der Hautarzt habe eine Biopsie vorgenommen und ihm mitgeteilt, er habe nichts Böses festgestellt. Somit sei der GdB von 50 für die Hauterkrankung entfallen. Für die Blindheit des linken Auges sei nach wie vor ein Teil-GdB von 30 angemessen. Weiter liege eine seelische Störung, eine somatoforme Störung, eine Fatigue-Symptomatik vor, welche mit einem Teil-GdB von 30 angemessen bewertet seien. Zwar habe Dr. R. den GdB bezüglich der psychiatrischen Erkrankungen mit 60 eingeschätzt. Dem könne sich das Gericht jedoch nicht anschließen, denn dies setze eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten voraus. Derartige Befunde habe Dr. R. nicht mitgeteilt. Seine Einschätzung lasse eine Orientierung an den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen nicht erkennen. Ein höherer GdB ergebe sich auch nicht aus dem beigezogenen Gutachten von der Ärztin D. Sie halte den Kläger noch für in der Lage einer Tätigkeit 3- bis unter 6 Stunden täglich nachzugehen, was nicht auf mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten hindeute. Somit verbleibe es bei einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit einem Teil-GdB von 30. Für den Reflux sei ein Teil-GdB von 10 anzunehmen. Auf orthopädischem Fachgebiet könne die diskrete Bewegungseinschränkung des Ellenbogengelenks nicht als Behinderung anerkannt werden. Auch aus den weiteren vorliegenden medizinischen Unterlagen ergebe sich keine andere Beurteilung.

Der Kläger hat am 28.12.2018 gegen den am 06.12.2018 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und ausgeführt, die erste Instanz hätte zur Frage der Berechtigung des Klageanspruchs ein Sachverständigengutachten einholen müssen. Dies sei nicht erfolgt. Zudem seien in der ersten Instanz am 18.09.18 sowie am 09.11.18 weitere ärztliche Berichte vorgelegt worden, die ebenfalls die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers nachweisen würden. In diesem Zusammenhang sei ausdrücklich beantragt worden, ein Gutachten einzuholen, sodass die erstinstanzliche Entscheidung keinen Bestand haben könne.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 29.11.2018 sowie den Bescheid vom 08.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2016 aufzuheben und einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hat zur Berufungserwiderung vorgetragen, der vorliegende medizinische Sachverhalt sei zutreffend gewürdigt worden. Eines Gutachtens habe es aus Sicht des Beklagten nicht bedurft, zumal bei der Anfechtungsklage der maßgebliche Zeitpunkt der Erlass des streitbefangenen Widerspruchsbescheids am 03.11.2016 sei.

Der Senat hat von Amts wegen ein nervenärztliches Gutachten bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. in Auftrag gegeben. In seinem Gutachten vom 26.09.2019 gelangte Dr. S. zu folgenden Diagnosen:

- Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert - Dysthymia - Gewöhnliche Migräne - Blindheit des linken Auges nach einem Unfall 1991 mit verschiedenen knöchernen Schädelverletzungen und weiteren Knochenbrüchen - Z.n. Operation eines Plattenepithelkarzinoms an der linken Wange ohne Lokalrezidiv und ohne Fernaussaat (Metastasierung) - Autoimmunhepatitis - Mitralklappeninsuffizienz und Trikuspidalklappeninsuffizienz (Herzklappenerkrankung) ohne weitergehende Störung der Herzfunktion - Refluxkrankheit der Speiseröhre

Zusammenfassend führte Dr. S. aus, unter Berücksichtigung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze sei bei dem psychiatrischen Störungsbild die Feststellung eines Teil-GdB von 30 zu empfehlen. Dafür spreche der Langzeitverlauf und die mit der Störung verbundenen leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Unter Berücksichtigung aller Störungen sei ein Gesamt-GdB von 40 seit dem 03.11.2016 festzustellen, da ab diesem Zeitpunkt auch die Heilungsbewährung nach dem Plattenepithelkarzinom vorüber gewesen sei. Der bisherigen versorgungsärztlichen Einstufung sei zuzustimmen. Die von ihm jetzt zusätzlich angeführte Migräne sei mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten und führe nicht zu einer Zunahme des Gesamtgrades der Behinderung. Der Sachverhalt sei ausreichend aufgeklärt, weitere Begutachtungen seien nicht erforderlich.

0 Der Kläger trat dem Gutachten von Dr. S. mit Schriftsatz vom 20.11.2019 entgegen und legte einen Arztbrief des ZfP S. vom 15.10.2019 vor. In diesem werden die Diagnosen Angst und depressive Störung, gemischt, undifferenzierte Somatisierungsstörung, Anpassungsstörungen und posttraumatische Belastungsstörung genannt und der Verlauf der Behandlung für den Zeitraum 25.01.2019 bis zum 14.10.2019 geschildert.

1 Im Rahmen einer nichtöffentlichen Sitzung am 28.08.2020 wurde der Sach- und Streitstand mit den Beteiligten erörtert. Beide Beteiligte haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG zugestimmt.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 SGG) ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und teilweise begründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 08.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.11.2016 erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit der GdB auf unter 50 seit dem 14.09.2016 herabgesetzt wurde.

1. Rechtsgrundlage für die Herabsetzung des GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören, zugrunde gelegten GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 ff.). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Einzel- oder Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss damit durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.

Rechtsgrundlage für die Feststellung des GdB ist § 2 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der für die Zeit bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung durch das Gesetz vom 09.06.2001 (BGBl. I S. 1046) und in der für die Zeit ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung durch Art. 1 des Gesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. S. 3234) in Verbindung mit § 69 SGB IX in der für die Zeit bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung durch das Gesetz vom 07.01.2015 (BGBl. II S. 15) und in der für die Zeit vom 30.12.2016 bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung durch Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) beziehungsweise in Verbindung mit § 152 Abs. 1 und 3 SGB IX in der für die Zeit ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung durch Art. 1 des Gesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. S. 3234). Im Hinblick auf die den vorliegend zu beurteilenden Zeitraum betreffenden unterschiedlichen Gesetzesfassungen sind diese - da Übergangsregelungen fehlen - nach dem Grundsatz, dass sich die Entstehung und der Fortbestand des sozialrechtlichen Anspruchs auf Leistungen nach dem Recht zu beurteilen ist, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat (BSG, Urteil vom 04.09.2013, B 10 EG 6/12 R, juris; vergleiche Stölting/Greiser in SGb 2015, 135-143), für die jeweiligen Zeiträume, für die sie galten beziehungsweise gelten, anzuwenden.

Nach § 2 Abs. 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können, wobei eine Beeinträchtigung in diesem Sinne vorliegt, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der vom 30.12.2016 bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt ergänzend, dass der GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung festgestellt wird. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung, nach § 69 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX in der vom 30.12.2016 bis zum 31.12.2017 beziehungsweise nach § 152 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung hierbei nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt.

Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der vom 30.12.2016 bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 153 Abs. 2 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt diese Ermächtigung für die allgemeine - also nicht nur für die medizinische - Bewertung des GdB und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen sowie auch für die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht worden. Indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise § 241 Abs. 5 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung, dass - soweit eine solche Verordnung nicht erlassen ist - die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten.

Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab 01.01.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S. 2412), die durch die Verordnungen vom 01.03.2010 (BGBl. I S. 2904), 14.07.2010 (BGBl. I S. 928), 17.12.2010 (BGBl. I S. 2124), 28.10.2011 (BGBl. I S. 2153) und 11.10.2012 (BGBl. I S. 2122) geändert worden ist, heranzuziehen. In den VG sind unter anderem die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden. Diese sind nach den VG, Teil A, Nr. 2 auch für die Feststellung des GdB maßgebend. Die VG stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar. Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die Bewertung des GdB auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen nach § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese dann den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinanderstehen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).

Nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. c ist bei der Bildung des Gesamt-GdB in der Regel von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und sodann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. d, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es danach vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Außerdem sind nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. b bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind.

Die Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe. Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).

2. Nach diesen Maßstäben liegt eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die eine Herabsetzung des GdB rechtfertigt, vor. Der Senat stellt fest, dass in dem (letzten bindenden) Bescheid vom 15.11.2012 berücksichtigten Gesundheitszustand des Klägers eine wesentliche Änderung im Sinne einer Besserung des Gesundheitszustandes dahin eingetreten ist, dass im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2016 der GdB nunmehr mit 50 zu bewerten ist.

a. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Funktionsstörungen im Bereich Psyche zu Recht mit einem GdB von 30 ab dem 01.08.2013 bewertet wurden. Zu dieser Feststellung gelangt der Senat aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere aufgrund des nervenärztlichen Gutachtens von Dr. S. vom 26.09.2019 aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 20.09.2019.

Dr. S. hat auf seinem Fachgebiet eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert, eine Dysthymia und eine gewöhnliche Migräne diagnostiziert.

Die Bewertung einer depressiven Erkrankung erfolgt anhand der VG, Teil B Nr. 3.7. Danach sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0-20 zu bewerten. Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägte depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) sind mit einem GdB von 30-40 zu bewerten. Schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeit sind mit einem GdB von 50-70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 80-100 zu bewerten.

Der von Dr. S. bei seiner ambulanten Untersuchung erhobene psychische Befund zeigte einen bewusstseinsklaren und orientierten Kläger, der zwar schwunglos, aber keinesfalls antriebsarm oder tiefer deprimiert wirkte. Er war auflockerbar, das affektive Schwingungsvermögen war vorhanden, der Gedankengang war zusammenhängend, das Denken war zwar ausgerichtet auf sein Befinden, jedoch nicht völlig eingeengt auf depressive Inhalte. Wahrnehmungsstörungen oder Ich-Störungen fanden sich keine, auch intellektuell zeigte sich keine Einschränkung, auch nicht im Hinblick auf das Gedächtnis oder das Erinnerungsvermögen. Das Konzentrationsvermögen und die Aufmerksamkeit waren in der Begutachtung ungestört. Sozial zeigten sich keine Tendenzen zu aggressivem Verhalten oder zu Verwahrlosungstendenzen. Lediglich eine Rückzugstendenz und eine Interessenabnahme konnte erhoben werden.

Im Hinblick auf die in der gutachterlichen Untersuchung erhobenen Befunde ist der Teil-GdB von 30 angemessen und sachgerecht. Der Kläger befindet sich seit 2013 in regelmäßiger Behandlung in der psychiatrischen Institutsambulanz des Z. Die Behandlung findet 1-2 Mal im Quartal statt und er erhält unterstützend Antidepressiva, außerdem wurde zum Jahreswechsel 2014/2015 eine medizinische Rehabilitation in einer psychosomatischen Klinik zu Lasten der Rentenversicherung durchgeführt. Demgegenüber war der Kläger aber noch zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. S. am 20.09.2019 in der Lage, sich einen Nebenjob zu verschaffen und diesen regelmäßig auszuüben. Der vom Kläger bei der Begutachtung geschilderte Tagesablauf war hinreichend strukturiert, außerdem berichtete er von regelmäßigen Urlauben in der Türkei. Auch in der Langzeitbetrachtung der psychischen Erkrankung des Klägers ergibt sich kein Anhalt für schwere Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, die einen GdB von 50 rechtfertigen würden. Zwar schätzte Dr. R. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 04.07.2017 den GdB bezüglich der psychischen Erkrankung mit 60 ein. Dieser Bewertung kann sich der Senat jedoch nicht anschließen. Dagegen spricht einhergehend mit Dr. S. das gesamte therapeutische Vorgehen und der Krankheitsverlauf. Die im S. durchgeführte Behandlung mit Sprechstundenkontakten von 1-2 Mal pro Quartal ohne weitergehende medikamentöse Behandlung spricht gegen eine schwere depressive Erkrankung. Die Einschätzung von Dr. R. lässt vor diesem Hintergrund jede Orientierung an den VG vermissen. Zu einer anderen Einschätzung führt auch nicht der mit Schriftsatz vom 20.11.2019 vorgelegte Verlaufsbericht des S. vom 15.10.2019. Bei schwankendem Verlauf der depressiven Symptomatik wurde keine höherfrequente Therapie durchgeführt, vielmehr verblieb es bei supportiven Gesprächen in einem Umfang von maximal einmal im Monat. Die Medikation blieb ebenfalls durchgehend unverändert. Der Kläger war durchgehend in der Lage, seinem Nebenjob nachzugehen, im Juni 2019 plante er einen Urlaub in der Türkei für 3 Wochen. Dieser Verlauf spiegelt keine schweren Störungen mit mittelgradige sozialen Anpassungsschwierigkeiten wider, sodass es bei der Beurteilung mit einem Teil-GdB von 30 verbleibt.

b. Die übrigen beim Kläger vorliegenden Funktionsstörungen (Blindheit des linken Auges – Teil-GdB 30, Reflux der Speiseröhre – Teil-GdB 10) sind nach wie vor korrekt bewertet. Diesbezüglich hat der Kläger in seiner Berufungsbegründung auch nichts Gegenteiliges vorgetragen. Die von Dr. S. erstmals in das Verfahren eingebrachte Migräne mit einem Teil-GdB von 10 wirkt sich auf den Gesamt-GdB nicht aus, sodass es an der bisherigen Bewertung zu verbleiben hat.

Der Sachverhalt ist aufgeklärt. Es wird keine Veranlassung dafür gesehen, den Sachverhalt weiter zu ermitteln. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinisch festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 30, 40 oder 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).

Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB aus den Einzel-GdB-Werten von 30 für die Funktionsstörungen im Bereich Psyche, 30 für die Erblindung des linken Auges und 10 für die Refluxerkrankung - bezogen auf den vorliegend maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheides am 03.11.2016 – mit 50 festzustellen. Dieses Ergebnis ergibt sich auf Grund einer konkreten, auf den Einzelfall bezogenen Würdigung anhand der VG, Teil A, Nr. 3. Danach sind bei der Bildung des Gesamt-GdB ausschließlich die Auswirkungen der einzelnen Funktionsstörungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen und ihrer Auswirkungen auf die Gestaltung des Alltags zu betrachten und zu fragen, ob sie sich gegenseitig überschneiden oder verstärken oder sich auf andere nachteilig auswirken (vgl. BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).

Im Falle des Klägers gelangt der Senat zu einem GdB von 50, da es zwischen den Funktionssystemen Psyche einerseits und Augen andererseits keinerlei Überschneidungen gibt. Vielmehr resultieren die Funktionsstörungen im Bereich Psyche aus der durchgemachten Krebserkrankung des Klägers, deren Eintritt der Heilungsbewährung zur Herabsetzung des ursprünglichen Gesamt-GdB von 70 auf 40 geführt hat. Hiervon völlig unberührt besteht die Erblindung des linken Auges, die durch den Beklagten bereits im letzten bindenden Bescheid vom 15.11.2012 mit einem eigenständigen Teil-GdB von 30 bewertet wurde. Ein Gesamt-GdB von lediglich 40 wäre mit den oben genannten Maßstäben nicht in Einklang zu bringen. Einen Grundsatz, wonach ein weiterer Teil-GdB von 30 regelmäßig nur zu einer Erhöhung um 10 Punkte führt und nur ausnahmsweise zu einer solchen um 20 Punkte gibt es nicht. Ein solcher Grundsatz lässt sich auch nicht der Entscheidung des 3. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 18.08.2015 (Az.: L 3 SB 1182/14) entnehmen, wie dieser selbst in seiner weiterführenden Entscheidung vom 24.10.2018, Az.: L 3 SB 5/17, nach juris, klarstellend ausgeführt hat. Dort heißt es, ein weiterer GdB von 30 führt dann zu einer Erhöhung um 20 und nicht nur um 10 Punkte, wenn eine wesentliche Zunahme der Behinderung vorliegt. Der erkennende Senat schließt sich diesen Ausführungen an und sieht diese Voraussetzungen im Falle des Klägers für gegeben an. II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das teilweise Obsiegen des Klägers. III.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.



Versorungsmedizinische Grundsätze
in der Fassung der 5. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung